Eine Gesellschaft im Krisenmodus – Was Konflikte und ihre Kommunikation mit uns machen

Die erstmalige Durchführung einer Fachtagung bei der 9. Auflage des Leipziger Mediationsforums vom 26. bis 28. Juni 2023 war ein voller Erfolg. Das Thema „Eine Gesellschaft im Krisenmodus – Was Konflikte und ihre Kommunikation aus uns machen“ traf den Nerv der Teilnehmer. In der Alten Essig Manufactur im Hotel Michaelis entwickelte sich bei Vorträgen, Workshops und Podiumsdiskussion ein anregendes Streitgespräch unter den Anwesenden.

Kooperatives Verhalten fördern

Nach Ansicht des Gastgebers, Prof. Dr. Gernot Barth, Leiter des Instituts IKOME | Steinbeis Mediation, ist für den Zusammenhalt einer Gesellschaft in Krisen entscheidend, dass kooperatives Verhalten Vorrang vor konkurrierendem Verhalten hat. Aktuell sei in Deutschland eine Zunahme hoch eskalierender Konflikte in der Gesellschaft zu beobachten. Bei diesen handele es sich häufig um Generationenkonflikte, die durch den demografischen Wandel ausgelöst werden. Die Überalterung der Gesellschaft führe zu einer Beharrung auf Bestehendem. Die Folge sei, dass bei vielen überfälligen Veränderungen wie beispielsweise dem Klimawandel kein Generationendialog mehr möglich sei. Dies sei auch daran ablesbar, dass die Zahl der sogenannten Wutbürger stetig steige, die ihre Bedürfnisse, Interessen und Sichtweisen nicht ausreichend berücksichtigt sehen. Hier müsse gegengesteuert werden. Die Gesellschaft sei bei der Lösung von Konflikten zum Verhandeln verdammt. Leider sei dies nicht unbedingt die Stärke der Deutschen.

Betroffenheiten identifizieren – Dialog organisieren

Nach Auffassung des Politikers, Theologen und Bürgerrechtlers Frank Richter befindet sich die Gesellschaft in Deutschland bedingt durch andauernde Konflikte in einem anhaltenden Stresszustand. An der Tagesordnung seien neben Auseinandersetzungen zwischen Jung und Alt auch Reibungen zwischen Stadt und Land, Ost und West und Volk und Volksvertretern. Dies führe zu negativen Reaktionsmustern wie Leugnen, Ignorieren, Diffamieren und Ausstoßen. Ein geeignetes Gegenmittel sei, Betroffenheiten zu identifizieren und einen Dialog zu organisieren. Die oft zu Unrecht gescholtene repräsentative Demokratie sei dafür eine förderliche staatliche Grundordnung, da sie auf Verständigung abziele. Ihr Anliegen sei es, einen inneren Frieden herzustellen. Dies verlange den Willen zum Kompromiss, der bei der Beilegung von Konflikten unabdingbar sei.

Ausgrenzungen vermeiden

Nach Meinung von Prof. Olaf Jacobs, Honorarprofessor am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig, kann die seit der Deutschen Einheit bestehende Unterrepräsentation der Ostdeutschen in Elitefunktionen speziell in Konfliktsituationen sehr schnell eskalierend wirken, da sich beträchtliche Teile der Gesellschaft von der Willensbildung und Entscheidungsfindung ausgeschlossen fühlen. Dies sei ein eklatanter Verstoß gegen den in der Verfassung verankerten Gleichheitsgrundsatz. Jacobs stellt deshalb die berechtigte wie bange Frage, wie lange es sich die Gesellschaft in Deutschland noch leisten wolle, in Konflikten auf Erfahrungen einer wichtigen regionalen Gruppe zu verzichten.

Konstruktiv statt destruktiv berichten

Für die Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) in Sachsen, Ine Dippmann, spielen die Medien in Konflikten eine Schlüsselrolle. Nach wie vor sei der Grundsatz „Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten“ ein Grundprinzip der Berichterstattung. Dies führe tendenziell dazu, dass Medien Konflikte eher verschärften denn entschärften. Sie bildeten damit die reale Wirklichkeit immer weniger ab. Dies führe dazu, dass sich immer mehr Mediennutzer von den Medien abwendeten. Dies sei mit Blick auf die Informations-, Meinungsbildungs- und Kontrollfunktion der Medien für die Gesellschaft eine fatale Entwicklung. Die Medien müssten sich deshalb bei der Berichterstattung über Konflikte sehr viel stärker um eine konstruktive statt destruktive Berichterstattung bemühen.

Vom Wert des Streitens

Für Frank Richter ist das Streiten bei der Lösung von Konflikten ein sehr hoher Wert. „Streit ist für die Gesellschaft per se ein verbindendes Momentum“, wirbt der Politiker, Theologe und Bürgerrechtler für eine lebendige Streitkultur. Auch Prof. Dr. Gernot Barth stößt ins gleiche Horn. „Wir sollten in unserer Gesellschaft nicht weniger, sondern mehr miteinander streiten. Wir müssen damit aufhören, Einzelne und Gruppen von Streitgesprächen auszuschließen, da so der Streitkorridor immer schmaler wird. Stattdessen tun wir gut daran, jeden Menschen und jede Position ernst zu nehmen und anzuhören“, so der Leiter des Instituts IKOME | Steinbeis Mediation.

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